Zürichsee Zeitung, 8. Oktober 2003, Titelseite

Das Handicap der Golfplatz-Planer

Meilen/Tuggen/Zürich: Die Opposition kann ein Projekt ewig verschleppen oder ganz verhindern
Golfspieler müssen besondere Enthusiasten sein. Kaum einer kann vor der eigenen Haustüre den Schläger schwingen. Lange Fahrten sind die Regel. Noch länger geht es, wenn man einen Golfplatz in der Region Zürichsee initiiert. In Meilen formiert sich derzeit die Opposition gegen das Projekt der Zürisee Golf AG.

Was haben Mobilfunkantennen und Golfplätze gemeinsam? Ihre Planung wird immer bekämpft. Dieses Fazit muss gezogen werden, wenn der Werdegang oder Verhinderungszug solcher Projekte verfolgt wird. Aktuelle Beispiele: die geplanten Golfplätze in Meilen/Herrliberg und Tuggen.

Gestern zog der Golf & Country Club zur alten Linth eine Bilanz. Seit elf Jahren zieht sich dessen Projekt für einen Golfplatz in Tuggen dahin. Einsprachen, Beschwerden, Rekurse verzögerten die Realisierung. Im nächsten Frühling könnte - im günstigsten Fall - über die Umzonung abgestimmt werden.

Am Pfannenstiel blieb das erste Projekt einer 27-Loch-Anlage vor drei Jahren in den planerischen Sandbunkern stecken. Das vor einem Jahr wieder aufgenommene und auf 18 Löcher reduzierte Projekt kam bisher recht gut vom Abschlag weg. Doch jetzt beginnt der zähe Kampf zum Green. In Meilen schiessen sich drei Organisationen - Naturschutz, Quartierverein und eine mobilisierte Bürgergruppe - auf die Zürisee Golf AG ein. Deren Ziel ist es, den Golfplatz erst gar nicht bis in den Richtplan kommen zu lassen. Golfplätze bräuchten eben viel Land, sagt auch Bernhard Capeder vom Kantonalen Amt für Raumordnung und Vermessung. Damit veränderten sie die Naherholungsgebiete und das Agrarland. Als Alternative bietet sich seit diesem Wochenende immerhin die "erste Golf-Indoor-Academy der Schweiz" in Glattbrugg an. (di/mts)




Zürichsee Zeitung, 8. Oktober 2003, Seite 3

18 Seiten gegen 18 Golflöcher

Meilen: Golfplatzgegner gehen mit Stellungnahme an Entscheidungsträger in die Offensive
Noch in diesem Monat fällt eine erste behördliche Entscheidung zum Golfplatzprojekt am Pfannenstiel. Die vorgeschlagene Teilrevision wird durch die zuständigen kantonalen Ämter geprüft. Diese Vorprüfung wird zuhanden der Planungsgruppe Pfannenstiel (ZPP erstellt). Schon in diesem Stadium greift die Opposition ein. Quartierverein Feldmeilen, Naturschutzverein Meilen und Fokus Meilen haben eine Stellungnahme an viele Entscheidungsträger verschickt.

Christian Dietz-Saluz

18 Seiten umfasst die Stellungnahme an Kantons- und Gemeinderäte der Region sowie an die Mitglieder der Zürcher Planungsgruppe Pfannenstiel (ZPP). Damit weisen die Gegner nur eine zählbare Gemeinsamkeit mit dem projektierten 18-Loch-Golfplatz auf. Denn der Inhalt von "Unsere Landschaft - das Naherholungsgebiet in Meilen" - lässt an der Planung der Zürisee Golf AG kein gutes Haar.

Zwölf Punkte überprüfen

In drei Kategorien wird der Sinn des Projektes in Frage gestellt: Sozialverträglichkeit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit. Darum erwarten die Gegner bei der Entscheidung über eine allfällige Änderung des Richtplanes die Berücksichtigung von mehreren Kriterien:

  • Sozialverträglichkeit für einen Golfplatz hart am Siedlungsgebiet.
  • Zerstörung des Landschaftsbildes durch Bunker, Fairways, Greens, Wälle.
  • Degradierung der historischen Aussichtswege zu Fussgängerkanälen.
  • Umweltschutz mit einer qualifizierten Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).
  • Wasserhaushalt unter Berücksichtigung des meliorierten Gebietes.
  • Lärm- und Abgas-Emissionen, Verkehrsbelastung.
  • Erhaltung der vom Bund verordneten Fruchtfolgeflächen (FFF).
  • Boden: Respekt vor dem Boden als Lebewesen.
  • Solidarität mit künftigen Generationen (Zerstörung von Boden).
  • Auswirkungen auf angrenzende Naturschutzgebiete und Wildwechsel.
  • Bedeutung für die getätigten Investitionen im Naturnetz Pfannenstiel.
  • Finanzielle Garantien für die allfällig notwendige Rekultivierung der Fläche durch die Investoren in der Grössenordnung von 15 bis 20 Millionen Franken (Investitionsaufwand).

Einbussen und Einschränkungen

In ihrer Stellungnahme sehen Quartierverein Feldmeilen, Naturschutzverein Meilen und Fokus Meilen keinen ausgewiesenen Bedarf für einen Golfplatz. Dafür würde wertvolles Kulturland preisgegeben. Insbesondere berufen sich die Gegner auf den gültigen kantonalen Richtplan, wo für "Landschafts-Förderungsgebiete" bestimmt wurde, dass "die vorhandenen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen Priorität haben". Die Bauern in Meilen beteiligten sich "aktiv an der Ökologisierung der Landwirtschaft". Auch das laufende Projekt Naturnetz Pfannenstiel (unter der Ägide der ZPP) wird als Beitrag zur Landschaftsaufwertung in die Waagschale geworfen. Das Naherholungsgebiet Pfannenstiel würde Einbussen und Einschränkungen erfahren. "Das nahe Siedlungsgebiet, das Nah- und Erholungsgebiet und vor allem die Landschaft vertragen sich nicht mit der Idee eines Sportplatzes für eine anspruchsvolle Sportart wie Golf", fällen die drei Gruppierungen in ihrem Exposé ein negatives Urteil.

Thema Golfplatz vom Tisch bringen

Walter Haab ist Sprecher von Fokus Meilen. Er bezeichnet die Vereinigung, die im Sommer aus einem Aufruf an die Bevölkerung entstanden ist, "als eine Art Bürgerwehr" von kurzfristig "mobilisierten" 360 Mitbewohnern. "Wir möchten schon beim Richtplanverfahren mitreden und nicht erst beim Gestaltungsplan." Warum nicht zuwarten und dann ablehnen, wenn der Golfplatz zur reinen Kommunalpolitik wird? "Ist der Richtplaneintrag für eine 'Erholungszone C, Golfplatz' erfolgt, kann nach Ablehnung des Gestaltungsplans sofort der Nächste kommen und wieder ein Projekt initiieren", will der Feldmeilemer das Thema Golfplatz möglichst gründlich vom Tisch haben. Die SVP formulierte mit der von nahezu 500 Einwohnern unterstützten Petition ihre Zielsetzung ebenfalls in diesem Sinn.

Anprangern oder Appell?

Walter Haab und seinen Mitaktivisten von Fokus Meilen geht es primär um die Frage: Brauchen wir mehr Golfplätze, haben wir dafür das Land? Für Meilen wird sie mit einem deutlichen "Nein" beantwortet. Darum hat Fokus Meilen auch alle vom Golfprojekt betroffenen Landeigentümer in einem offenen Brief an alle Haushaltungen in der Gemeinde namentlich genannt. Die Zürisee Golf AG bezeichnete in ihrer Homepage dieses Vorgehen als "Anprangern" und entschuldigt sich bei den Betroffenen "für die Unannehmlichkeiten". Haab sieht es anders: "Wir haben nur eine höfliche Bitte an die Landeigentümer gerichtet." Fokus ist sich nämlich im Klaren: Wäre ein Besitzer von "Schlüsselland" dem Projekt gegenüber ablehnend, würde das Projekt zumindest arg geschwächt.

Vorprüfung schlechtes Omen?

Walter Haab will sich im Hintergrund halten. Er habe einfach als Pensionierter mehr Zeit. Sein persönliches Motiv zum Widerstand ist gleichsam sentimentaler Natur. "Auf diesem Land haben schon meine Vorfahren gelebt, ich habe daher eine persönliche Beziehung zu diesem Land und zu Meilen." Darum kämpfe er mit den 360 Fokus-Unterzeichnern "für unsere Landschaft". Die Zürisee Golf AG ist für ihn ausdrücklich "kein Gegner", ebenso wenig das von ihr geplante Projekt. "So weit darf es nicht kommen, darum soll es erst gar nicht zum Richtplan-Eintrag für einen Golfplatz kommen." Noch im Oktober werden die von den kantonalen Ämtern eingereichten Gutachten in einem Vorprüfungsbericht zusammengefasst. Der Regierungsrat hat zudem - offenbar als Reaktion auf den frühzeitig sichtbaren Widerstand - gegen dieses Projekt am Pfannenstiel die Natur- und Heimatschutzkommission (NHK) für eine Expertise aufgeboten.

Zuversicht bei Opposition

Die kantonalen Stellungnahmen gehen dann an die ZPP zur Beratung durch den ZPP-Vorstand und die regionalen Experten. Nächster Schritt wäre das öffentliche Einwendungsverfahren (bis zirka Mitte Januar). Ende März würde die Delegiertenversammlung der ZPP den Beschluss fassen, ob der regionale Richtplan für die benötigten 83,5 Hektaren Land im Gebiet Büelen- Eichholz-Tannacher revidiert werden soll. Die Gegner des projektierten Golfplatzes sind zuversichtlich, dass ihre "vernünftigen Argumente für die Erhaltung ihres wertvollen Erholungsgebietes obsiegen werden".

"Zeigen, dass es machbar ist"
Meilen: Förderverein will Ängsten begegnen
Seit einem Jahr unterstützt der Förderverein Zürisee Golf das Projekt auf dem Pfannenstiel. Von den derzeit 1162 Mitgliedern wohnen 239 in Meilen und 192 in Herrliberg. Präsident Karl Wüthrich sieht den Verein mehr als Brücke zur Bevölkerung denn als Lobby-Instrument.

Der Förderverein wurde gegründet, um dem Golfplatz politisch den Boden zu ebnen. Auf der Homepage der Zürisee Golf AG heisst es dazu: "Damit die Golf AG ihr Vorhaben verwirklichen kann, müssen die Stimmbürger von Meilen und Herrliberg der Umzonung des benötigten Landes zustimmen und einen entsprechenden Gestaltungsplan gutheissen. Das Projekt ist deshalb nicht nur unternehmerisch richtig anzupacken, sondern auch politisch. Aus diesem Grund hat die Golf AG am 15. Oktober 2002 die Gründung eines Fördervereins in die Wege geleitet. Der Verein sammelt die Interessenten für das Projekt und bemüht sich darum, das Vorhaben in den Gemeinden Meilen und Herrliberg mehrheitsfähig zu machen."

Worte und Taten

"Wir sind dran, die Kritik zu prüfen und allenfalls Lösungsvorschläge zu machen, die der Kritik Rechnung tragen", kommentiert Karl Wüthrich die Offensive der Gegner. Ansonsten übt sich der Verein (wie auch die Zürisee Golf AG) in nobler Zurückhaltung. Der Rechtsanwalt und frühere Gemeinderat von Meilen versteht die Ängste, wonach eine exklusive Anlage entstehen könne. "Das ist nicht die Absicht, aber wir nehmen alle Anliegen der Bevölkerung ernst", verspricht Wüthrich. "Worte und vor allem Taten."

Wünsche der Bevölkerung

Der Präsident des Fördervereins stört sich an gewissen fundamentalistischen Argumentationen mancher Golfplatz-Gegner. "Es soll immer ein Dialog möglich sein, sonst ist es nur Streit, bei dem keiner dem anderen zuhört und vielleicht auch in einigen Punkten Recht gibt." Darum sieht er mit dem Verein eine Brückenbauerfunktion. Die beinhaltet auch, auf die Projektierenden zuzugehen, wenn Anpassungen notwendig wären, um Wünsche der Bevölkerung zu berücksichtigen.

Niemand verdrängen

"Wäre ein Nebeneinander so schlecht?", stellt er die entscheidende Frage, weshalb er sich (als zugegebenermassen passionierter Golfspieler) in Meilen engagiert. Es gehe Karl Wüthrich wie den Mitgliedern des Fördervereins nicht um materielle, sondern um ideelle Interessen. Die heissen: Dialog suchen und fördern. "Wenn es am Schluss nur Gewinner gibt, wäre es doch ideal, und genau solch eine Situation strebe ich an, das Nebeneinander von Golf und allen anderen Nutzungsmöglichkeiten unterstütze ich." Wüthrichs Credo: "Es soll ja ein Golfplatz entstehen, der nicht jemanden verdrängt, sondern zusätzlichen Nutzen schafft. Wir wollen zeigen, dass das machbar ist." (di)