Golftagung Zürich, 11. September 1992

Zusammenfassung des Referates von Melchior Ehrler, Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes, 5200 Brugg

Golfplätze - eine Dienstleistung der Landwirtschaft

Bis vor wenigen Jahren wäre die Antwort auf die Frage: "Golfplätze - eine Dienstleistung der Landwirtschaft?" noch sehr eindeutig ausgefallen: Die Landwirtschaft beschäftigt sich mit Nahrungsmittelproduktion, und Land wird nicht für die Freizeitgestaltung einer relativ kleinen Schicht zur Verfügung gestellt. Auch heute noch ist aus bäuerlichen Kreisen zu hören, dass die Bauern nicht bereit seien, gewissermassen zur Rasenschere zu greifen.

In den letzten Jahren ist die Erstellung neuer Golfplätze immer wieder gescheitert, unter anderem auch am Widerstand der betroffenen Bauern. Auf der anderen Seite gibt es heute Bauern, die nach Alternativen zu ihrer bisherigen Bewirtschaftung suchen und dabei im Golf eine für sie durchaus positive Möglichkeit erblicken. Und auch der Bundesrat sieht im 7. Landwirtschaftsbericht aus agrarpolitischer Sicht keine grundsätzlichen Einwände gegen die Beanspruchung zusätzlicher Flächen für Erholungszwecke. Der Schweizerische Bauernverband hat sich seinerseits offen für Golfplatzanlagen gezeigt.

Ja zum Golfsport heisst nicht Nein zur Landwirtschaft

An dieser Stelle gilt es einem doppelten Missverständnis vorzubeugen. Zum einen bedeutet eine grundsätzliche Offenheit gegenüber dem Golfsport noch lange nicht die Zustimmung zu jedem einzelnen Projekt. Wer beispielsweise der Bauwirtschaft positiv gegenübersteht, braucht deshalb noch nicht für jedes beliebige Bauprojekt an irdendeinem Standort zu sein. Jedes einzelne Projekt muss gesondert beurteilt werden.

Zum zweiten: Wer sich aus landwirtschaftlicher Sicht grundsätzlich positiv zur Golffrage äussert, braucht dabei die angestammte Aufgabe der Landwirtschaft sowie deren vielfältige Funktionen für Landschaft und Umwelt noch lange nicht zu vernachlässigen. Für den Schweizerischen Bauernverband besteht die wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft nach wie vor in der vernünftigen Produktion von Nahrungsmitteln. Und er wird sich zuallererst dafür einsetzen, dass die Marktanteile für die Schweizer Bauern möglichst hoch bleiben.

Doch gerade bei den Nahrungsmitteln wird die Situation für die Bauern immer enger. Eine der grössten Herausforderungen für die Landwirtschaft ergibt sich daraus, dass infolge des technischen Fortschrittes die Produktion viel rascher gewachsen ist als die Nachfrage. Die Dynamik der ganzen Entwicklung kam in den vergangenen Jahren unter anderem deshalb nicht voll zum Ausdruck, weil die importierten Futtermittel durch inländische Produktion ersetzt und zudem die Produktion auch in anderen Sektoren ausgeweitet werden konnte.

Sättigungstendenzen in der landwirtschaftlichen Produktion

Heute jedoch sind auf immer mehr Märkten Sättigungstendenzen zu verzeichnen. Staatliche Massnahmen zur Ausweitung der Nahrungsmittelproduktion stossen heute an Grenzen. Zum einen haben sich sehr viele Länder mit den gleichen Problemen auseinanderzusetzen, so dass international eine weitere Abschottung von einheimischen Märkten zumindest problematisch erscheint. Selbst wenn dies gelingen sollte, würde der "Erfolg" durch den zunehmenden Einkaufstourismus wieder unterlaufen.

Zum zweiten haben innenpolitische Diskussionen in den letzten Jahren wiederholt gezeigt, dass eine Ausweitung der Produktion intern nicht mehr ohne weiteres mitgetragen wird. Die technologische Entwicklung ihrerseits geht weiter. Die Folgen von verbesserten Züchtungen usw. werden auch in Zukunft zu steigenden Erträgen führen. Die Investitionen der Industrie beispielsweise in die Gentechnologie lassen erahnen, dass hier noch einiges auf die Landwirtschaft und letztlich die Gesellschaft zukommen könnte.

Im Klartext bedeutet diese ganze Entwicklung nichts anderes, als dass zur Produktion einer gewissen Menge von Nahrungsmitteln immer weniger Produktionsfaktoren benötigt werden. Bezogen auf die Fläche heisst das, dass sich bei voller Nutzung der verfügbaren Flächen über die Nahrungsmittelproduktion immer schwerwiegendere Mengenprobleme ergäben, die letztlich zu einem Preiszerfall führen würden.

Landwirtschaftliche Flächen müssen ausserhalb der Produktion genutzt werden

Eine der wichtigsten Fragen für die Landwirtschaft lautet folglich: Welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung, landwirtschaftliche Flächen ausserhalb der eigentlichen Nahrungsmittelproduktion zu nutzen? Die Problematik weist eine gewaltige Dimension auf: Neuere Berechnungen zeigen, dass die Landwirtschaft bis zum Jahr 2000 rund 100'000 ha ausserhalb der eigentlichen Nahrungsmittelproduktion nutzen muss, wenn die Nahrungsmittelmärkte nicht massiv in Unordnung gebracht werden sollen.

Bei diesen Berechnungen ist unterstellt, dass die schweizerische Landwirtschaft die nötigen Anstrengungen erbringen kann, um auch bei offenerwerdenden Märkten das heutige Marktpotential zu behaupten. Sollte dies nicht der Fall sein, so müssten noch mehr Flächen ausserhalb der Nahrungsmittelproduktion genutzt werden. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich die gleiche Problematik in allen Ländern Westeuropas stellt.

Wo aber gibt es Alternativen? Wenn es so ohne weiteres wirtschaftlich konkurrenzfähige Alternativen gäbe, würden diese wohl schon längst genutzt. Die Arbeitsgruppe zur Lenkung der landwirtschaftlichen Produktion ist in den Produktionsszenarien für die Zeit bis ins Jahr 2000 zum Schluss gekommen, dass bei der Nahrungsmittelproduktion noch da und dort Nischen bestehen und dass im übrigen die Hauptakzente bei den nachwachsenden Rohstoffen, der Nutzung von Flächen für den Natur- und Umweltschutz sowie für Erholung und Freizeit gesetzt werden müssen. Angesichts der angesprochenen Grössenordnungen steht zum vornherein fest, dass Golfanlagen einen eher bescheidenen Beitrag zur Problemlösung leisten können.

Alternative Nutzungen entsprechend agrarpolitischen Zielen

Die ganze Problematik muss auch unter dem Gesichtspunkt der agrarpolitischen Zielsetzungen unseres Landes betrachtet werden. Der im 7. Landwirtschaftsbericht des Bundesrates festgeschriebene Grundsatz der multifunktionalen Landwirtschaft verlangt, dass auch alternative Flächennutzungen die Anforderungen des agrarpolitischen Zielsystems - zu denken ist hier etwa an die Versorgungssicherheit oder an die Landschafts- und Umweltpflege - erfüllen.

Wohl noch kaum voll erfasst wird heute, dass verschiedene Formen von Flächennutzung ausserhalb der eigentlichen Nahrungsmittelproduktion mit relativ wenig Arbeit verbunden sind. Dies führt zur Frage, wie die Landwirtschaft unter solchen Bedingungen ihre Funktion als einer der wichtigsten Träger des wirtschaftlichen Lebens im ländlichen Raum weiter erfüllen kann. Hier sind nicht nur Alternativen für die Flächennutzung, sondern auch für die Beschäftigung nötig. Man kann angesichts der heutigen politischen Diskussionen nicht genügend betonen, dass man dem ländlichen Raum nur über sinnvolle Beschäftigung und nicht damit eine Perspektive bieten kann, dass man die Bauern bezahlt, weil sie Bauern sind.

Was auf der Ebene einer gesamtsektoralen Betrachtung einleuchtet, braucht aus der Sicht des einzelnen Bauern noch lange nicht ebenso plausibel zu sein. Die Grundfrage, die sich heue einem jeden Bauern stellt, lautet: Womit kann ich heute und in näherer Zukunft das Einkommen für meine Familie finden? Er wird dabei von seinen konkreten Verhältnissen ausgehen und sich fragen, welche der verschiedenen Möglichkeiten wirtschaftlich interessant sind und auch seiner Situation am besten entspricht.

Alternativen werden in dem Masse interessanter, als die wirtschaftliche Situation in der Nahrungsmittelproduktion enger wird. Wohl die meisten Bauern möchten auch in Zukunft in erster Linie Nahrungsmittel produzieren und ihren Betrieb vergrössern. Andere möchten im Bereich der Oekologie besondere Anstrengungen erbringen. Und wieder andere sind bereit, auf Alternativen ausserhalb der eigentlichen Nahrungsmittelproduktion einzusteigen. Ein jeder entscheidet auf Grund seiner Situation und der wirtschaftlich-politischen Rahmenbedingungen.

Der einzelen Landwirt bestimmt seinen Weg selber

Gerade bei den Alternativen zur heutigen Flächennutzung wird für den Einzelnen wichtig sein, wie rasch sie sich realisieren und wie sicher die damit verbundenen wirtschaftlichen Aussichten sind. Man sollte nun endlich akzeptieren, dass dieser Entscheid beim Einzelnen liegt und dass er nicht von oben von irgendeiner Instanz verfügt werden kann. Wenn schon wieder mehr vom Bauern als Unternehmer gesprochen wird, dann sollte man damit aufhören, ihnen von oben Lösungen aufzwingen zu wollen. Wir sind heute nicht mehr in einer Zeit, wo von oben her für alle eine Lösung organisiert werden kann. Vielmehr sucht heute der Einzelne innerhalb von Rahmenbedingungen - und diese sind sinnvoll zu gestalten - seinen Weg selber.

Angesichts der oben geschilderten Situation stellt sich nun die spezifische Frage: Wo kann der Bauer Dienstleistungen erbringen, die von der modernen Gesellschaft auch nachgefragt werden? Immer mehr wird der heutigen Gesellschaft und auch der Landwirtschaft bewusst, dass die Bauern Lebensraum und Naturerlebnisse bieten können.

Stress in den Zentren ruft nach einem Ausgleich. Man geht wohl nicht fehl mit der Aussage, dass sich der ländliche Raum dieser Ausgleichsfunktion viel zu wenig bewusst war und viel zu sehr das Gleiche verwirklichen wollte, was in den Städten wirtschaftlichen Erfolg brachte. Der ländliche Raum hat der modernen Gesellschaft eigene Werte zu bieten. Für die Landwirtschaft eröffnet sich damit die Möglichkeit neuer Dienstleistungen.

Golf kreiiert Nachfrage, die Bauern erfüllen können

Das Beispiel der Ferien auf dem Bauernhof zeigt, dass die Sache sowohl auf der Angebots- wie auch auf der Nachfrageseite spielt. Die gleiche Überlegung gilt auch beim Golf. Wenn man die Entwicklungen im Ausland betrachtet, dann wird Golf wohl auch bei uns nicht nur Freizeitbeschäftigung eines relativ kleinen Kreises von Personen bleiben. Damit wird aber auch die Nachfrage nach Leistungen ansteigen, welche der Bauer erbringen kann.

Der Bauer kann Flächen ausserhalb der Nahrungsmittelproduktion nutzen und zudem noch Arbeit leisten. Zudem ergibt sich für die Landwirtschaft eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit, ein breiteres Publikum von der Vielfalt ihrer Leistungen zu überzeugen und diese - auch in Verbindung mit der Produktion von Lebensmitteln - erlebbar zu machen. Golf bietet damit einzelnen Bauern eine sinnvolle Perspektive und leistet zudem einen bescheidenen, aber dennoch willkommenen Beitrag zur alternativen Nutzung von Flächen.

Aus der Sicht der Landwirtschaft ist es von grosser Bedeutung, dass Golfplätze nicht gegen die Landwirtschaft, sondern mit den Bauern verwirklicht werden, die nach Alternativen zur herkömmlichen Wirtschaftsweise suchen. Im weiteren muss aus der Sicht der Landwirtschaft verlangt werden, dass Golfplätze die sich aus dem agrarpolitischen Zielsystem ergebenden Anforderungen insbesondere in bezug auf die Versorgungssicherheit sowie die Anliegen des Umwelt- und Naturschutzes erfüllen.

Schliesslich sind auch verschiedene rechtliche Probleme - so etwa in bezug auf die Raumplanung - sauber zu lösen. Auch sei nochmals betont, dass jede einzelne Anlage einer besonderen Beurteilung bedarf. Wünschbar ist, dass die beteiligten Kreis miteinander sinnvolle Lösungen entwickeln. Es gibt genügend Beispiele von anderen Vorgehensweisen, die für keine Seite zum Ziel führte.