NZZ, 19. Januar 2005

Original-Artikel im NZZ-Archiv

Wie ökologisch sind Golfplätze?

Deutliche Aufwertung artenarmer Landwirtschaftsflächen

Eine neue Studie zeigt, unter welchen Bedingungen Golfplätze eine Chance für die Natur sein können. Um dieses ökologische Potenzial noch zu erhöhen, haben die Autoren Empfehlungen für den Bau und die Pflege von Golfplätzen erarbeitet.

Wer in der Schweiz einen Golfplatz einrichten will, stösst auf heftigen Widerstand von Naturschützern. Diese kritisieren nicht nur den hohen Wasser- und Düngereinsatz oder die Umwandlung öffentlich zugänglicher Kulturlandschaften in eine privat genutzte Kunstlandschaft, sondern auch die Zerstörung von Lebensräumen schutzwürdiger Tier- und Pflanzenarten. Der «ökologische Golfplatz» sei eine Fata Morgana, mit dem umweltbewusste Bürger getäuscht werden sollten, heisst es dann. Die von den Golfplatzbetreibern gepriesenen ökologischen Ausgleichsflächen seien nichts weiter als Alibi-Biotope.

Neue Studie

Die Golfplatzbefürworter dagegen sind davon überzeugt, dass durch den Bau eines Golfplatzes eine ökologische Verbesserung eintritt. Sie preisen vor allem die vielen neu geschaffenen Lebensräume auf den Plätzen. Weil aber kaum etwas über die Auswirkungen von Golfplätzen auf Tiere und Pflanzen bekannt ist, argumentieren beide Seiten häufig nur mit theoretischen Überlegungen, was zu fruchtlosen Diskussionen und ideologischen Grabenkämpfen führt.

Um die Diskussion zu versachlichen, haben Roman Graf und Simon Birrer von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach in den vergangenen Jahren die Artenvielfalt von drei Golfplätzen in der Schweiz untersucht und entweder mit dem ökologischen Zustand vor dem Bau oder mit der Flora und Fauna von angrenzenden Referenzflächen verglichen. Bei einer Literaturrecherche in internationalen Zeitschriften waren Graf und Birrer auf nur drei ähnlich umfassende ältere Studien aus Deutschland gestossen. In ihrer Arbeit kommen die Wissenschafter der Vogelwarte nun zum Schluss, dass Golfplätze vor allem dann attraktive Lebensräume bieten, wenn ökologische Kriterien bereits in der Planung berücksichtigt wurden. Ausserdem müssen genügend zusammenhängende Ausgleichsflächen vorhanden und deren Pflege auf die Ansprüche seltener Tier- und Pflanzenarten ausgerichtet sein.

Kein Vorbild ist laut den beiden Wissenschaftern der Golfplatz Dietschiberg im Kanton Luzern, der bereits 1904 den Betrieb aufgenommen hat. Es handelt sich um einen Golfplatz traditioneller Machart mit vielen exotischen Bäumen und Sträuchern sowie riesigen Rasenflächen. Er verfügt nur über wenige naturnahe Lebensräume, und sogar die sogenannten Roughs, die Randzonen mit normalerweise hohem Gras, werden fast ausnahmslos rasenartig kurz gehalten. Dementsprechend bleiben sogar anspruchslosere Vogelarten wie die Goldammer oder der Neuntöter dem Gelände fern. Ganz anders der Golfplatz Sempachersee: Diesem Golfplatz mussten zwar 380 Meter Hecken und 90 Einzelbäume weichen, als Kompensation wurden aber 2,3 Kilometer neue Hecken und 270 hochstämmige Obstbäume gepflanzt. Ausserdem wurden mehrere Teiche und Feuchtgebiete gebaut. Eingedolte Bäche wurden wieder ausgegraben und naturnah gestaltet. Diese Massnahmen kamen der Vogelwelt zugute: Bei den Brutvögeln stieg die Anzahl der Arten von 25 auf 32. Vor allem Gewässer bewohnende Arten wie der Zwergtaucher oder der Sumpfrohrsänger profitierten von den neu angelegten Lebensräumen.

Auch der Bau des Golfplatzes Holzhäusern im Kanton Zug scheint eher ein Gewinn als ein Verlust für die Artenvielfalt gewesen zu sein. Graf und Birrer konnten hier im Vergleich zu umliegenden Landwirtschaftsflächen eine reichhaltigere Tier- und Pflanzenwelt nachweisen: Der Anteil naturnaher Landschaftselemente lag bei 15 Prozent statt wie im landwirtschaftlich genutzten Gebiet bei 5,5 Prozent. Schon bald nach der Inbetriebnahme der Anlage entdeckte der Wasserfrosch die neuen Teiche. Mittlerweile ist sein Bestand auf fast 800 Tiere angewachsen. Auch der Grasfrosch, der Bergmolch und die seltene Gelbbauchunke laichen in den Gewässern. Insgesamt konnten 21 Tier- und 10 Pflanzenarten der «roten Liste» auf dem Golfgelände festgestellt werden - dies obwohl das ökologische Potenzial des Platzes noch längst nicht ausgeschöpft ist. Graf kritisiert nämlich, dass die künstlich angelegten Rasen der Golfbahnen viel zu nahe an die Bäche und Gräben reichten. Der Wert der Fliessgewässer könne noch beträchtlich gesteigert werden, wenn ein drei Meter breiter Saum angelegt und die Ufer mit standortgerechten Hochstauden bepflanzt würden. Auch die Vernetzung der bestehenden Hecken und Säume ist laut Graf ungenügend. Problematisch ist zudem das Zuwachsen von offenen Standorten, die von seltenen und spezialisierten Tier- und Pflanzenarten besiedelt werden. Weil diese Pionierstandorte im Laufe der Zeit von einer dichten Vegetation bedeckt werden, sind bereits mehrere Arten der roten Liste, die in den Jahren nach dem Bau die Anlage besiedelten, wieder verschwunden. Auf einem Golfplatz bestünde aber die Chance, ständig neue Pionierlebensräume zu schaffen, sagt Graf. Wenn zum Beispiel ein Sandbunker saniert werden müsse, könne etwa auch ein Weiherufer abgeschürft und so die Verlandung des Gewässers verhindert werden.

Empfehlungen für Bau und Pflege

Birrer und Graf weisen allerdings ausdrücklich darauf hin, dass die Golfplätze Sempachersee und Holzhäusern auf Flächen gebaut wurden, die zuvor intensiv landwirtschaftlich genutzt worden waren. So dominierten früher monotone Maisäcker und artenarme Fettwiesen das Landschaftsbild bei Holzhäusern. In solchen Fällen stellten Golfplätze eine Bereicherung für die Artenvielfalt dar, erklärt Graf. Würden die Golfplätze aber in einer vielfältigen und mehrheitlich extensiv bewirtschafteten Kulturlandschaft mit gewachsenen Strukturen liegen, müsste mit einer Abnahme der Artenvielfalt gerechnet werden - selbst wenn ein noch so naturnah gepflegter Golfplatz entstehe. Golfplätze in solchen Regionen müssten deshalb aus Naturschutzgründen abgelehnt werden.

Aufgrund der Erfahrungen in Holzhäusern gibt Graf weitere Empfehlungen und Vorgaben für den Bau und die Pflege von Golfplätzen. So sollte ein Grossteil der Ökoflächen als zusammenhängende Gebiete im Randbereich der Anlage ausgeschieden werden. Mindestens ein Teil des Areals würde dadurch frei von Störungen durch den Golfbetrieb bleiben. Insbesondere bei Turnieren mit einem grossen Besucherandrang würden den Tieren so Rückzugsmöglichkeiten geboten. Besonders wichtig sei auch ein Pflegekonzept für die Ökoflächen, das optimal auf die Tier- und Pflanzenarten ausgerichtet sei. Dazu gehöre beispielsweise, dass die extensiven Wiesen zeitlich gestaffelt gemäht würden. Und zu guter Letzt sollten auch die Golfer von den ökologischen Massnahmen profitieren, indem Tafeln am Spielfeldrand aufgestellt würden, die über beobachtbare Tiere und Pflanzen informieren.

Gregor Klaus

Quelle: Naturschutz und Landschaftspflege 36, 311-320 (2004); Der Ornithologische Beobachter 101, 233-246 (2004).