Golf & Country, August 2003

Ein Golfplatz entsteht zunächst einmal im Kopf

"Hier muss ein Grün hin." Landschaftsarchitekt Jean Dardelet und Golfpro André Bossert sind sich einig. Die beiden Männer stehen auf einer Kuppe des Pfannenstiels. Die Gletschermoräne säumt das rechte Ufer des Zürichsees. Der Blick schweift über den See, ganz rechts verschwindet er in einer Biegung hinter der Hügelkette knapp vor den Toren der Stadt Zürich. Auf der linken Seite türmen sich die Glarner Alpen mächtig am Horizont. Die Aussicht ist ein Wahnsinn. Nach einem Moment des Schweigens und Geniessens drehen sich die beiden um und studieren das Gelände, wie es auf die Kuppe zu läuft. Ist genug Platz für ein Par Vier? Eine Landstrasse quert knapp 250 Meter dahinter das Hochplateau und kappt der Phantasie die Hoffnung. Also einigen sich die beiden Männer auf ein Par Drei.

Nur wenig weiter links fällt der Hang sanft gegen den See ab. Bestimmt 600 Meter Wiese trennen die beiden Beobachter von der ersten Häuserzeile Meilens. Wieder brauchen Bossert und Dardelet kein Wort der Verständigung: "Das ist ein phantastisches Par 5", wirft der eine überwältigt ein, derweil der andere mit dem Finger auf die Stelle zeigt, wo er sich das Grün vorstellt. Bossert schält ein Fernglas mit Distanzmesser aus dem Etui und nimmt das Ziel ins Visier: 560 Meter zeigt das Display. "Das wird eine Wucht", schwärmt der Pro, der Architekt pflichtet bei.

Experten wie Dardelet und Bossert haben ein Auge dafür entwickelt, wie eine Golfbahn harmonisch in die Landschaft passt. Beide vertreten die gleiche Philosophie: Solange es das Gelände erlaubt, sollen Erdbewegungen möglichst vermieden werden. Als Hindernisse und Schwierigkeiten sollen - wenn immer möglich - natürliche Elemente der Landschaft einbezogen werden.

Eine halbe Stunde später besichtigen die beiden eine andere Geländekammer. Ein Spazierweg säumt die Hangkante. Dahinter breitet sich eine breite Fläche mit Maisfeldern aus. Im Abstand von gut 50 Metern schreiten die beiden Männer parallel zum Weg den Äckern entlang. An exponierter Lage steht eine verwitterte Scheune, dahinter buchtet sich der Hügel gegen den See hin aus und fällt leicht ab. Gut 150 Meter weiter thront eine Linde mit riesiger Krone direkt an der Krete und wirft einen breiten Schatten auf den Acker hinter ihr. "Das wird ein wunderbares Dog-Leg", schwadroniert Dardelet und Bossert versichert sich: "Aber die Scheune muss auf jeden Fall stehen bleiben - damit Longhitter das Dog-Leg nicht mit einer Tiger-Line aushebeln können." Im Schatten der Linde - stellen beide wiederum einmütig fest - soll das Grün liegen.

Nach einigen weiteren Detailanalysen gelangen sie in den obersten Teil des Golfperimeters. Dardelet beschreibt Bossert, wie er sich ein Par 4 dem Waldrand entlang vorstellt und erklärt, weshalb er das Fairway unterhalb eines riesigen Findlings entlang führen will. "Leider", stellt er dann fest, "müsste man das Grün im zweiten Schlag aber blind anspielen." "Wieso", fragt Bossert daraufhin, "ziehst du das Fairway nicht oben und unter dem Findlings durch, so dass er mitten aus dem Fairway ragt?" Das hätte den Vorteil, dass ein Spieler selber entscheiden kann, ob er den Drive ziemlich riskant dem Waldrand entlang spielen will, um ihn oberhalb des Findlings zu platzieren und damit einen einfachen Approach auf das guteinsehbare Grün zu gewinnen oder ob er die sichere Variante bevorzugt vom Wald weg unter dem Findling durch und damit einen blinden zweiten Schlag in Kauf nimmt. Nach einigem Für und Wider entscheiden sich die beiden Männer für Bosserts Variante, weil der Findling so viel prominenter ins Spiel kommt.

Später, bei einem kühlen Bier, lassen die beiden den Spaziergang durchs Gelände Revue passieren. Noch einmal halten sie die Eckwerte der Besichtigung fest. Acht Löcher, sind sich die beiden einig, sind von der Natur vorgegeben. Nun wird es die Aufgabe von Golfplatzarchitekt Jean Dardelet sein, die acht Löcher so zu verbinden, respektive die Lücken dazwischen so auszugestalten, dass ein guter Ablauf mit zweimal neun Löchern entsteht, die je vom geplanten Klubhaus weg und zum Klubhaus hin führen.

Am Anfang der Planung steht ein Landschaftsentwicklungskonzept

Noch bevor sich Dardelet den Kopf über das Golflayout zerbricht, hat er aber eine aufwändige Bestandesaufnahme des Geländes vorgenommen. Die Aufgabenstellung für das Projekt Zürisee Golf in Meilen und Herrliberg ist komplex. Der Perimeter des geplanten Golfplatzes ist auf fünf unterschiedliche Geländekammern verteilt. Der Boden ist teils ganz unterschiedlich beschaffen. Auf einer Fläche, wo heute fruchtbares Ackerland liegt, hat einst ein Riet das Geschehen geprägt. Eine andere Kammer wurde in den Zwanziger Jahren - wie eine Luftaufnahme aus jener Zeit dokumentiert - von einem dichten Obstbaumgarten dominiert. Ein Waldrand an der oberen Seite des Golfperimeters ist optimal nach Süden ausgerichtet. Der Boden ist mager, die Wiese unter dem Waldrand ökologisch sehr wertvoll und deswegen schützenswert.

Dardelet wird sich hüten, eine Golfbahn in diesem Hang zu planen. Der Standort ist ideal, um einen Teil der Drittelsregelung zu erfüllen, die heute als Standard für die Planung von Golfplätzen in der Schweiz gilt. Die Drittelsregelung sieht vor, dass mindestens ein Drittel des Geländes als Ausgleichsfläche ausgeschieden wird, die strengen naturschützerischen Auflagen zu entsprechen hat.

Bevor sich der Golfplatzarchitekt aber an die Aufteilung des Geländes gemäss dieser Regelung macht, entwirft er ein Landschaftsentwicklungskonzept. Dieser Plan hat überhaupt nichts mit Golf zu tun und sieht nur vor, wie die Landschaft unter naturschützerischen Kriterien umzugestalten wäre, wenn sie nicht vom Menschen beansprucht würde.

Wenn das Landschaftsentwicklungskonzept steht und ein erstes Golflayout ausgestaltet ist, legt der Architekt die beiden Pläne übereinander um abzuchecken, wie weit die beiden Konzepte zusammenpassen und wo sich Konfliktpunkte abzeichnen. Aus der Bereinigung dieser Konflikte entsteht schliesslich ein erster Gestaltungsplanentwurf, in dem selbstverständlich alle golftechnischen Aspekte berücksichtigt sind, der aber gleichzeitig auch auf die Besonderheiten der Landschaft Rücksicht nimmt.

Golf-Design und Landschaftsgestaltung vereinen

Mit diesem Entwurf macht sich Dardelet auf zur nächsten Geländebesichtigung. Diesmal wird er begleitet von einem Vertreter des WWF. Res Knobel, Vorstandsmitglied der WWF-Sektion Schwyz und Inhaber eines Büros für ökologische Optimierung, hat schon die Entstehung des Golfplätze Nuolen, Ybrig und Küssnacht begleitet. Bei der Besichtigung geht es darum, sicherzustellen, dass die ökologischen Ausgleichsflächen am richtigen Ort vorgesehen sind und dass die Spielbahnen und Abschläge nicht in heiklen Zonen angelegt werden. Ein wichtiger Aspekt modernen Naturschutzes ist die Vernetzung. Im Gelände sollen Ausgleichsflächen - wenn immer möglich - so angelegt werden, dass sich daraus ganze Streifen bilden, die ununterbrochen von einem Waldrand oder Bachtobel zum andern führen und Tieren, Insekten und Vögeln damit ermöglichen, sich von einer natürlichen Zone in die andere auszubreiten ohne durch künstliche Elemente wie Golfspielbahnen davon abgehalten zu werden.

Knobel vertritt die Ansicht, dass Golfplätze durchaus sinnvoll in die Natur eingebettet werden können und die Landschaft aufwerten, wenn sie mit der nötigen Sorgfalt und kompetentem Fachwissen geplant werden. Aus diesem Grund schätzt er es auch, wenn Golfpromotoren die Naturschutzkreise rechtzeitig in die Planung einbeziehen. So können entscheidende Weichen frühzeitig richtig gestellt werden, damit zu einem späteren Zeitpunkt harsche Auseinandersetzungen und mühsame Einsprachen vermieden werden können. Bei der Besichtigung schiesst Knobel mit seiner Digitalkamera viele Bilder, damit er die Situation später im Büro in Ruhe noch einmal analysieren kann. Schon bei der ersten Begehung stellt er aber fest, dass sich Landschaftsarchitekt Dardelet intensiv mit der Planung auseinandergesetzt hat. Und jedenfalls findet er die Aussicht eines Golfplatzes in diesem Naherholungsgebiet am Zürichsee sinnvoller als die zurzeit betriebene intensive Landwirtschaft.

Jean Dardelet freut solche Kunde ganz offensichtlich, insbesondere wenn Sie von einem anerkannten Fachmann stammt. Nun, da er bestätigt weiss, dass sein Konzept auch aus ökologischer Sicht vertretbar ist, setzt er sich erneut mit André Bossert in Verbindung. Bei einer zweiten Begehung besprechen die beiden das Golflayout. Bossert ist begeistert. Da und dort schlägt er Änderungen im Detail vor. Grundsätzlich findet er die Planung aber gelungen. "Wenn das so gebaut werden darf, wie Du das entworfen hast", hält er Dardelet anerkennend zu Gute, "wird das einer der schönsten Plätze der Schweiz."

Franz Scherrer